Wie wir alle mittlerweile wissen, ist Poledance eine Kombination aus Tanz und Akrobatik mit einem dennoch Ă€sthetisch-sinnlichem Beigeschmack. FĂŒr mich persönlich klang es interessant, sodass ich mir eine Meinung darĂŒber bilden wollte. Nach dem Schnupperkurs wusste ich, dass ich es weitermachen wollte, weil es anders war als die Sportarten, die ich bisher gemacht hatte.
Nur, wie sollte ich jetzt meinen streng christlichen Eltern erklĂ€ren, was ich da fĂŒr einen interessanten Sport entdeckt hatte? WĂŒrden sie glauben, dass ich zur Stripperin geworden bin? Oder wĂŒrden sie verstehen, dass ich es tatsĂ€chlich als Sport sehe? Und was wĂŒrden wohl die Verwandten und Freunde sagen, wenn ich ein Poledance Foto auf Facebook hochladen wĂŒrde? Was wĂŒrden ĂŒberhaupt die Freunde aus der christlichen Community darĂŒber denken? Machte das einen schlechten Eindruck auf die Menschen?
Ich erzĂ€hlte einer engen Freundin davon, die anfangs auch recht geschockt reagierte, allerdings ihre Meinung nach dem ersten Pole-Versuch Ă€nderte. Meine Eltern reagierten entspannter als ich erwartet hatte und halfen mir sogar die Stange in der Wohnung aufzubauen. Ich war ĂŒber die guten Reaktionen positiv ĂŒberrascht.
Mit der Zeit wurden die Ăbungen stetig anspruchsvoller, also war ich umso glĂŒcklicher wenn etwas gut gelang. Um meine Freude darĂŒber zu teilen, beschloss ich, mich doch zu trauen und ein Foto auf Facebook hochzuladen. FĂŒr das Foto bekam ich innerhalb von kĂŒrzester Zeit 37 Likes und 23 Kommentare. Die Kommentare reichten von âWas fĂŒr ein Körperâ bis zu âKannst du mir das auch beibringen?â Erstmals war ich ĂŒberglĂŒcklich und stolz darauf. Ein paar Tage spĂ€ter kam eine SMS einer lĂ€nger nicht mehr gesehenen Freundin, die fragte was um Gottes Willen in mich gefahren sei und warum ich mich so entblöĂe. Daraufhin kamen immer mehr beleidigende oder ironische Kommentare in diese Richtung. Es waren Fragen wie âHast du ĂŒberhaupt etwas an?â und âDas sieht aus wie fĂŒr ein MĂ€nnermagazinâ. Sie kamen teilweise sogar von engen Freunden und mein tolles Foto wurde zu einem ziemlichen Reinfall, also löschte ich es.
Demnach stellte sich mir die Frage wie ich das Problem lösen sollte. Ich war so gekrĂ€nkt von den negativen Kommentaren. Musste ich mich von einem von beiden trennen? Sollte ich mit dem Poledance aufhören? War das alles nur Neid und Eifersucht? Ich könnte es verheimlichen, aber wĂ€re das nicht Heuchelei und irgendwann wĂŒrde es jemand aus der Kirchengemeinschaft ohnehin erfahren. Oder sollte ich mich von den Bekanntschaften trennen die diesen Sport so verĂ€chtlich fanden? Darunter waren Menschen, die seit jĂŒngster Kindheit kannte. Reichte es, einen Sport zu betreiben, um jahrelange Freundschaften zu trennen? Und gab es keine Möglichkeit beides zu behalten? Doch je mehr ich darĂŒber nachdachte, desto mehr Ă€rgerte es mich, dass mein Hobby keine Akzeptanz in meinem Bekanntenkreis fand. Ich hatte angenommen, die Leute wĂŒrden mich gut genug kennen, um zu wissen, dass ich Poledance auf rein sportlicher Ebene ausĂŒbte.
Da Poledance mir aber gefiel, wollte ich mich in dieser Hinsicht nicht von der Meinung anderer beeinflussen lassen. So beschloss ich es weiterzumachen und zukĂŒnftig Kommentare, die ich diesbezĂŒglich unpassend fand, zu ignorieren oder zu blockieren.
Das Problem an der ganzen Situation ist nicht das Hochladen von Fotos auf Facebook oder anderen sozialen Plattforen, sondern die Gesellschaft in der wir uns befinden. Leider ist diese oft konservativer als man vermutet. ErklĂ€re ich einem einzelnen Menschen was Poledance wirklich fĂŒr ein Sport ist, so war es in den meistens FĂ€llen ĂŒberhaupt kein Problem, die Meinung dieser individuellen Person zu Ă€ndern. Sobald man aber in einer geschlossenen Gruppe von Menschen eine andere Ansicht Ă€uĂert, ist es fast unmöglich die Meinung der gesamten Gruppe oder auch der einzelnen Gruppenmitglieder zu Ă€ndern.
Scheint, als wĂ€re es ganz offensichtlich so mit allen revolutionĂ€ren Dingen: Es brauchte beispielsweise auch viele Jahre bis sich der Bikini als KleidungsstĂŒck durchsetzen konnte.
Höchstwahrscheinlich bin ich nicht die einzige, die durch Poledance an Ansehen in der Gesellschaft verloren hat. Poledance kann problemlos als Sport betrieben werden. Allerdings ist es in Teilbereichen unserer Gesellschaft bisher noch nicht ganz als solches erkannt worden. Die BefĂŒrchtung ist, dass es noch etwas dauern wird bis sich die allgemeine Meinung ĂŒber diesen Sport Ă€ndert. Bis dahin trainiere ich zuhause und mit anderen Poledance-Freundinnen, die meine Ansichten teilen. Meine Fotos teile ich allerdings auf keiner sozialen Plattform mehrâŠ
Adriana